Vor 6 Stunden -
Zitat:Kreislaufwirtschaft im Theater – zwischen guter Absicht und bürokratischer Überforderung
Die Idee klingt gut: Materialien in Kulturbetrieben nicht wegwerfen, sondern weitergeben. Was in der Industrie längst üblich ist, soll auch in Theatern, Museen und Ateliers zur Selbstverständlichkeit werden – eine funktionierende Kreislaufwirtschaft im Sinne der Nachhaltigkeit. Die Stadt Leipzig hat hierzu gemeinsam mit einer Anwaltskanzlei eine detaillierte Checkliste und eine rechtliche Entscheidungshilfe erstellt. Ziel ist es, die unentgeltliche Weitergabe von Materialien auf eine rechtssichere Grundlage zu stellen.
Doch genau hier liegt das Problem. Wer die Unterlagen liest, merkt schnell: Diese Checkliste ist nicht für die Werkstatt, sondern für das Juristenbüro geschrieben. Sie listet haushaltsrechtliche, förderrechtliche, gemeinnützigkeitsrechtliche, haftungsrechtliche und urheberrechtliche Prüfungen auf – samt eBay-Marktrecherche, SAP-Buchwertabfragen und Genehmigungspflichten. Alles gut gemeint, aber in der Praxis nicht umsetzbar.
Theaterbetriebe kämpfen längst mit akutem Fachkräftemangel. Niemand hat Zeit, sich durch Dutzende Prüfpunkte zu arbeiten, nur um eine gebrauchte MDF-Platte oder ein Podest weiterzugeben. Das Ergebnis solcher Regelwerke ist vorhersehbar: Sie führen nicht zur Förderung von Nachhaltigkeit, sondern zu einer Vermeidungsstrategie. Was rechtlich nicht eindeutig erlaubt ist, wird lieber gar nicht gemacht.
Dabei ist die Realität in den Theatern seit jeher eine andere. Aus purer Notwendigkeit wird jedes Stück Dekoration, jedes Material so oft wie möglich wiederverwendet – meist zehnmal, bevor es endgültig im Container landet. Diese gelebte Kreislaufwirtschaft funktioniert ganz ohne Checklisten, weil sie auf handwerklicher Vernunft, Erfahrung und Sparsamkeit basiert.
Statt die Betriebe mit neuen Formularen zu überziehen, wäre es sinnvoller, Vertrauen in die Praxis zu setzen und einfache, nachvollziehbare Grundsätze zu formulieren:
Wenn Material sicher und verwendbar ist, darf es weitergegeben werden – ohne zusätzliche Formalitäten.
Das wäre nicht nur ökologisch, sondern auch kulturell nachhaltig. Denn es stärkt das Prinzip, das Theater immer schon auszeichnete: die Kunst, aus Vorhandenem Neues zu schaffen.

